Bücher

Das Muschelessen
Die Erzählung entstand im August 1989, drei Monate vor dem Fall der Mauer, das Manuskript wurde anschließend von fast allen deutschen Literaturverlagen abgelehnt, im März 1990 vom Rotbuch Verlag angenommen und knapp vor Einsendeschluss an die Jury des Bachmann-Preises verschickt; die Jurorin Marlis Gerhardt lud mich nach Klagenfurt ein, mit der Lesung dort gewann ich am 31.7.1990 den Ingeborg-Bachmann-Preis, das Buch erschien im August 1990 und wurde von der gesamten deutschen Großkritik teils heftig verrissen. Es ist inzwischen in ungezählten Auflagen bei diversen Verlagen erschienen, in etwa 20 Sprachen übersetzt, zuletzt – 25 Jahre nach Erscheinen – ins Englische. In seiner Rezension nennt der „Guardian“ es „a modern German classic“.

Fehlende Teile
Nach einem Debüt-Erfolg hat ein Autor nur zwei Möglichkeiten: Entweder er schreibt ein Remake, oder er lässt sein zweites Buch aus.
„Fehlende Teile“ ist kein Remake, es wurde von den Feuilletons ignoriert, und ich hätte es eigentlich auslassen können, wenn ich es nicht so gern geschrieben hätte. Und wenn ich es nicht selbst geschrieben hätte, hätte ich es unbedingt gern gelesen. Es ist ein Spiel mit Max Frischs Roman „Mein Name sei Gantenbein“.

Gut Genug
Meine dritte Erzählung ist mir von allen die liebste, vielleicht weil sie schräg und unpädagogisch vom Kinderkriegen erzählt, vielleicht aber auch, weil es ihr so schlecht ergangen ist. Im Herbst, nachdem sie erschienen ist, verkaufte das Rotbuch-Kollektiv, ohne seine Autoren davon in Kenntnis zu setzen, den Verlag und löste sich auf.
"Gut genug" ist mein letztes in Deutschland geschriebenes Buch, danach bin ich nach Frankreich gegangen.

Ich will meinen Mord
Bis heute denke ich, dieser surrealen bis dadaistischen Erzählung merkt man an, dass plötzlich das Licht anders war. Sie ist verspielt und ganz durchzogen von meinem Erstaunen darüber, wie hell es sich in Südfrankreich anfühlte.
In Deutschland war man mit der Postwende-Nabelschau beschäftigt, und dass ich das Buch finanziell überstanden habe, hatte mit einem Engel dieses Jahres zu tun: Harriet Köhne vom Rowohlt Berlin Verlag hat unverdrossen und gut gelaunt mengenweise Lesungen organisiert und wird nie vergessen werden!

Alberta empfängt einen Liebhaber
Nach einem kurzen Ausflug zum neuen Rotbuch Verlag war ich wieder auf Verlagssuche, diesmal für eine „danebengegangene“ Liebesgeschichte, und es ergab sich, dass der S. Fischer Verlag eine Tochter gründete. Alt ist sie nicht geworden, aber sie erregte Aufsehen, und so kam es, dass ich eines Tages vor dem Fernseher saß und hörte, wie Marcel Reich-Ranicki irgend etwas über meine Erzählung sagte, und in dem, was er sagte, kam das Wort „hocherotisch“ vor.
Verstehen muss man das nicht. Es stimmt auch gar nicht. Aber das Buch wurde gekauft wie verrückt.

Ich sehe was, was du nicht siehst
Sechs Jahre, nachdem ich nach Frankreich gegangen war, hatte ich das Gefühl, etwas über das „Weggehen“ erzählen zu können, von einem vertrauten, aber geheimnislos gewordenen A in ein nicht leicht zu entzifferndes, aber vielleicht deshalb bezauberndes B. Es war eine sehr große Freude, die Erzählung zu schreiben, auch wenn sie kein „Remake“ des vorangegangenen Bestsellers war. Nicht einmal eine ordentliche Liebesgeschichte. Die Leser mochten sie trotzdem.

Hexenreden
Zur letzten Walpurgisnacht des Jahrtausends hatte Heinz Ludwig Arnold drei Autorinnen nach Wolfenbüttel in die Herzog-August-Bibliothek eingeladen. Gisela von Wysocki, Marlene Streeruwitz und ich haben je eine Rede für diese Veranstaltung geschrieben. Mir war das ein großes Vergnügen, und ich habe den Abend außerordentlich genossen.

Ariel oder Sturm auf die weisse Wäsche (in "Reden an die Abiturienten")
Das Jahrhundert hatte beunruhigend angefangen, allerdings konnte ich mich nicht so recht entscheiden, ob dieser Anfang mich an Orwells „1984“ oder an Huxleys „Schöne neue Welt“ erinnerte. Als ich vom Saarländischen Kulturministerium und dem Saarländischen Rundfunk eingeladen wurde, eine Abiturientenrede zu halten, hatte zufällig gerade die erste Staffel von „Big Brother“ stattgefunden, über die ich mit Orwell, Huxley und noch ein paar anderen nachdenken konnte.

abgehängt
Im Januar 2000 hatte ich einen schweren Autounfall, und eine Woche danach ereignete sich ein verhängnisvoller erster Verlags-GAU in meinem Lebhen, der mich dazu veranlasste, meine nächsten Bücher beim S. Fischer Verlag zu publizieren.
„abgehängt“ ist eine Erzählung, in der sich die Beunruhigung einen Weg gesucht hat, mit der ich den „Jahrhundertwechsel“ empfunden habe. Diese Beunruhigung betraf nicht nur meine eigene Situation.

Gebrauchsanweisung für Südfrankreich
Der Piper Verlag gab schon eine ganze Weile seine inzwischen Kult gewordenen „Gebrauchsanweisungen für ...“ heraus, und irgendwann kam er auf mich zu. Ich lebte damals knapp 10 Jahre in Frankreich, lange genug, um mich ein bisschen auszukennen, aber noch nicht so lange, dass ich aufgehört hätte, mich über die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland zu wundern (und amüsieren).

Geld oder Leben
Das Jahr 2001 wird in der Geschichte mit dem 11. September gleichgesetzt. Ich hatte von diesem Jahr außerdem noch einen saftigen Finanz-Crash in Erinnerung, der heute fast nirgends mehr erwähnt wird und der eine sonderbare Wirkung hatte: von da an wurde weltweit Geld ganz unverhohlen und ohne Scham von unten nach oben umverteilt. Dem Crash war eine hysterische Zeit der „New Economy“ vorausgegangen, und Geld fing an, mich zu interessieren. Anfang 2003 entstand diese Erzählung und wurde von der Großpresse böse verrissen.

Schmeckt's
Essen hat sich seit meiner Kindheit und nochmal rasend innerhalb weniger Jahre der "Globalisierung" von Grund auf verändert und pervertiert.
Ich habe immer gern und gut gekocht, mein Leben lang weder Angst vor Fett oder Zucker noch je ein Gewichtsproblem gehabt, allerdings stellte ich irgendwann fest, dass ich damit in eine radikale Minderheit geraten war.
Kürzlich habe ich den wunderbaren Satz von Fran Lebowitz gelesen „Food is an important part of a balanced diet.“ Den hätte ich meinem Kochbuch gern vorangestellt.

Sweet sixteen
Diese Erzählung ist ein „Spiel, das ich mit mir selber gespielt habe“. Mein Sohn war mit dem Studium fertig und fand wie praktisch seine gesamte Generation keine bezahlte Arbeit. Über die Zukunft mochten junge Menschen gar nicht mehr nachdenken, und manche dieser jungen Menschen und ihre Eltern waren deshalb verzweifelt. Ich dachte, wenn ich heute fünfzehn wäre, würde ich nicht so richtig verstehen, warum ich in dieser Welt überhaupt mitspielen soll. Also erlaube ich den Jugendlichen in meinem Buch, das Spiel zu verweigern.

Die sonderbare Karriere der Frau Choi
Ungefähr als es mit der Spaßgesellschaft aus war, brach die Zeit der Krimis an: im geschichtslosen Fernsehen und in Büchern gab es allmählich nichts mehr als geisttötende, banale Krimis.
Diese Erzählung ist natürlich kein Krimi. Aber eine Mordgeschichte mit mengenweise Toten.

Das lässt sich ändern
Im Jahr 2010 erfolgte der zweite Verlags-GAU meines Lebens, der bei genauerem Hinsehen auch eine Folge des ersten war.
Meine nächste Erzählung erschien beim Piper Verlag und hieß – wie alle weiteren – plötzlich „Roman“, weil der Markt das so möchte. Mit dem Markt kann man nicht über literarische Gattungen diskutieren.
Sie ist eine Liebesgeschichte und ein Versuch, dem neo-liberalen Elend etwas entgegenzusetzen: vielleicht Tatkraft und Lebensfreude.

Die Frau mit dem Hund
Diese Geschichte setzt gedanklich das vorige Buch fort: Ohne Lebensfreude und ohne die Möglichkeit, sein eigenes Leben zu gestalten, sieht es so aus wie bei Jule Tenbrok (die ich im übrigen außerordentlich mag). Ihre Welt und meine Erzählung sind nur insoweit eine Dystopie, als unsere Welt und die offiziellen Erzählungen darüber verödet und ziemlich dystopisch geworden sind.
Allerdings gibt es einen Lichtblick, die Frau mit dem Hund.

Der Sommer der Wildschweine
Im Jahr 2014 hatte ich das Gefühl, dass die Welt, wie wir sie zu kennen meinen, in Kürze explodieren oder implodieren würde. Während der sogenannte „Freihandel“ grenzenlos zu werden begann, wurden in Europa die Grenzen hoch gezogen und dicht gemacht und intern alles nicht Verwertbare stillschweigend aussortiert.
In dieser Situation habe ich eine Urlaubsgeschichte geschrieben.

Ich freue mich, dass ich geboren bin
Wenn man nach vorne nicht mehr weiter weiß, fängt man am gescheitesten an zurück zu schauen und sich zu fragen, wie das Ganze angefangen hat.
Ich bin noch einmal zurück gegangen in die sechziger Jahre. Natürlich hat „das Ganze“ nicht zu der Zeit angefangen, weil es dafür ja keinen Anfang gibt, aber es ist eine Zeit, von der ich erzählen kann, was da wie angefangen hat.

Wer dann noch lachen kann
Seit ich als Kind (und in meinem letzten Buch, „Ich freue mich, dass ich geboren bin“) H.G. Wells’ „Zeitmaschine“ entdeckt hatte, waren Zeitschleifen in der Literatur und in Filmen für mich das Größte. Sozusagen das, was der vierfache Rittberger im Eiskunstlauf ist. Ein paar Jahrzehnte lang habe ich darüber nachgedacht, wie so was geht, und kurz nach meinem sechzigsten Geburtstag habe ich mich schließlich der Sache gewachsen gefühlt, einmal tief Luft geholt und ein Zeitschleifenbuch geschrieben.


Korrespondentziak / Briefwechsel / Correspondencias
Hona zein den tragedia shakespearetar eta komedia txe-khovtar baten arteko alde nagusia: Shakespeareren tragedia baten amaieran agertokia gorpuz betea dagoela, pertsonaia hilez, eta beharbada justizia nagusitu da, beharbada. Txekhoven antzezlan baten bukaeran, jende guztia desilusionatua dago, guztiz joa, atsekabetua, adoregabetua; baina bizirik. Eta nik bizitza osoan sinetsi izan dut borroka egin behar genukeela, ez gatazka baten amaiera zoriontsu bat izateko –gatazken amaiera zoriontsuetan ez dut nik sinesten–, soluzio txekhovtar bat izateko baizik.
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Der grösste Unterschied zwischen der Shakespear’schen Tragödie und der Tschechow’schen Komödie liegt darin, dass am Ende der Tragödie nach Shakespeare die Bühne bedeckt ist mit Leichen, und vielleicht hat die Gerechtigkeit gesiegt, vielleicht. Am Ende eines Stückes von Tschechow sind alle enttäuscht, erschüttert, untröstlich, gebrochen – aber am Leben. Seit ich denken kann bin ich davon überzeugt, dass es nicht darum geht, für das glückliche Ende von Konflikten zu kämpfen – ich glaube bei Konflikten gibt es kein Happy End – sondern für eine Tschechowsche Lösung.
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La principal diferencia entre una tragedia de Shakespeare y una comedia de Chejov es que al finalizar una tragedia de Shakespeare el escenario está cubierto de cadáveres y quizás –solo quizás– se haya impuesto la justicia. Al término de una comedia de Chejov, todo el mundo está decepcionado, afligido, derrotado o desencantado, pero vivo. Y toda mi vida he pensado que deberíamos luchar no por un final feliz del conflicto –nunca he creído en los finales felices de los conflictos–, sino por una solución chejoviana.

Alle, die vor uns da waren
Meine Großmütter hatten alle beide kaum Schulbildung, aber beträchtliches Können. Die eine war die beste Köchin, die man sich nur denken kann, die andere eine Textilkünstlerin. Das umfasste das Strickkleid ebenso wie die hingehauchte Klöppelspitze. Ich habe meine Großmütter eigentlich kaum gekannt, weil sie in der DDR geblieben sind, als wir in den Westen sind. Da war ich erst fünf.
Meine Eltern haben die Fähigkeiten ihrer jeweiligen Mütter weder besonders bemerkt oder geschätzt noch etwa von ihnen übernommen, das ist also an sie nicht vererbt worden.
Aber an mich.
Das wiederum beschäftigte mich schon seit langem, als ich eines Tages in einer Fernsehsendung Heinrich Böll gehört habe, wie er sagte, dass alle, die vor uns gelebt haben, bei uns wären.
Böll war zu der Zeit schon viele Jahrzehnte lang tot.
Sein Satz fing in mir an zu arbeiten, und ich war gerade in seinem Ferienhaus in Irland zu einem Stipendienaufenthalt eingeladen und einige Wochen lang in Irland gewesen ...